Ist High-Protein gut zum Abnehmen? Ein wissenschaftlicher Blick auf proteinreiche Ernährung

Wer abnehmen möchte, stößt früher oder später auf den Rat: "Iss mehr Protein!" Doch stimmt es wirklich, dass eine proteinreiche Ernährung der Schlüssel zum Gewichtsverlust ist? Als ich letztes Jahr selbst versuchte, einige Kilos zu verlieren, war ich von den widersprüchlichen Informationen verwirrt. Heute möchte ich die wissenschaftlichen Fakten hinter dem Protein-Hype beleuchten.

Die Protein-Obsession unserer Zeit

Wir befinden uns mitten in einem regelrechten Protein-Wahn. Supermarktregale sind gefüllt mit proteinangereicherten Energieriegeln, Frühstückscerealien, Backwaren und Sportgetränken. In sozialen Medien behaupten Influencer – viele mit medizinischen oder wissenschaftlichen Abschlüssen – dass die meisten Menschen unter einem erheblichen Proteinmangel leiden.

Laut einer Umfrage aus dem Jahr 2024 unter 3.000 US-Erwachsenen gaben 71% an, dass sie versuchen, mehr Protein zu konsumieren – ein Anstieg von 59% im Jahr 2022 The Seattle Times. Doch was steckt wirklich hinter diesem Trend?

Wie Protein beim Abnehmen helfen kann

Protein hat tatsächlich einige Eigenschaften, die es zu einem wertvollen Verbündeten beim Abnehmen machen:

  1. Sättigungsgefühl: Protein wird langsamer verdaut als Kohlenhydrate, was zu einem länger anhaltenden Sättigungsgefühl führt. "Mehr Protein kann definitiv dazu beitragen, dass du dich nach dem Essen länger satt fühlst, was bedeutet, dass du nach dem Mittagessen weniger wahrscheinlich snackst und insgesamt weniger Kalorien über den Tag verteilst", erklärt Ben Tzeel, Ernährungsberater Everyday Health.

  2. Thermischer Effekt: Der Körper verbraucht mehr Energie, um Protein zu verdauen und zu verstoffwechseln als bei Fett oder Kohlenhydraten. Dieser metabolische Schub kann dazu beitragen, dass der Körper insgesamt mehr Kalorien verbrennt.

  3. Muskelerhalt: Bei jeder Gewichtsabnahme geht zumindest etwas Muskelmasse verloren. Eine proteinreiche Ernährung kann diesen Muskelverlust reduzieren und verhindern, wenn du abnehmen möchtest.

Was sagt die Wissenschaft?

Kurzfristige Studien haben gezeigt, dass Menschen, die das 1,5- bis 2-fache der empfohlenen Proteinmenge zu sich nahmen, mehr Gewicht verloren als diejenigen mit proteinärmeren Diäten. Forschungen deuten auch darauf hin, dass Protein Hungerhormonspiegel senken und sättigender wirken kann als Kohlenhydrate oder Fette.

Eine 2024 veröffentlichte Übersichtsarbeit kam zu dem Schluss, dass die Aufnahme von mindestens 25% mehr Protein als die empfohlene Menge dazu beitragen kann, während des Gewichtsverlusts Muskeln zu erhalten The Seattle Times.

Interessanterweise haben längerfristige Studien jedoch nicht immer gezeigt, dass Menschen auf proteinreichen Diäten mehr Gewicht verlieren als bei anderen Diäten zur Gewichtsreduktion, wie Bettina Mittendorfer, Professorin für Ernährung und Bewegungsphysiologie, anmerkt.

Wie viel Protein ist optimal?

Die offiziellen Ernährungsempfehlungen in den USA raten gesunden Erwachsenen zu mindestens 0,8 Gramm Protein pro Kilogramm Körpergewicht täglich. Für einen 70-kg-Erwachsenen entspricht dies etwa 56 Gramm Protein pro Tag – oder der Menge in einer 240-Gramm-Hähnchenbrust.

Einige Studien deuten darauf hin, dass diese Menge höher sein sollte – um etwa 25% bis 50%, also 1 bis 1,2 Gramm pro Kilogramm Körpergewicht. Für aktive Menschen und solche, die Muskeln aufbauen möchten, empfehlen Experten oft das 1,5- bis 2-fache der Grundempfehlung.

Entgegen der Behauptungen in sozialen Medien zeigen Daten, dass der durchschnittliche Mann in den USA die empfohlene Proteinmenge um mehr als 55% überschreitet und die durchschnittliche Frau um mehr als 35%. Die meisten Menschen bekommen also bereits genug Protein.

Meine persönliche Erfahrung mit proteinreicher Ernährung

Als ich vor einem Jahr mit einer proteinreicheren Ernährung begann, bemerkte ich tatsächlich einige positive Veränderungen. Meine Mahlzeiten hielten mich länger satt, und ich verspürte weniger Heißhunger auf Süßigkeiten am Nachmittag. Besonders nach meinen Trainingseinheiten half mir ein proteinreicher Snack, mich schneller zu erholen.

Allerdings stellte ich auch fest, dass es nicht einfach war, die Balance zu finden. An manchen Tagen konzentrierte ich mich so sehr auf Protein, dass ich zu wenig Ballaststoffe zu mir nahm – mit unangenehmen Verdauungsproblemen als Folge.

Die Schattenseiten einer zu proteinreichen Ernährung

Wie bei jeder Ernährungsumstellung gibt es auch bei einer proteinreichen Diät potenzielle Nachteile:

  1. Nährstoffmangel: Wenn pflanzliche und ballaststoffreiche Lebensmittel vernachlässigt werden, kann es zu Nährstoffmängeln kommen.

  2. Verstopfung: Eine zu geringe Ballaststoffaufnahme kann zu Verdauungsproblemen führen.

  3. Gesundheitsrisiken: Ein übermäßiger Verzehr von rotem und verarbeitetem Fleisch wird mit einem erhöhten Risiko für Herzkrankheiten und bestimmte Krebsarten in Verbindung gebracht.

  4. Nierenbelastung: Bei Menschen mit bestehenden Nierenerkrankungen kann eine zu proteinreiche Ernährung die Nierenfunktion belasten.

Neue Erkenntnisse zur Darmgesundheit

Eine interessante neue Studie, die auf der ASM Microbe 2024 vorgestellt wurde, untersuchte die Auswirkungen proteinreicher Ernährung auf das Darmmikrobiom. Die Forscher fanden heraus, dass der Umstieg auf eine proteinreiche Ernährung bei Mäusen zu signifikantem Gewichtsverlust, reduziertem Körperfett und sofortigen Veränderungen des Darmmikrobioms führte ASM.

Diese Erkenntnisse deuten darauf hin, dass die Zusammensetzung der Proteine in unserer Ernährung – insbesondere die Arten von Aminosäuren – einen erheblichen Einfluss auf unsere Darmgesundheit und Körperzusammensetzung haben könnte.

Praktische Tipps für eine ausgewogene proteinreiche Ernährung

Wenn du eine proteinreichere Ernährung ausprobieren möchtest, hier einige Tipps:

  1. Wähle hochwertige Proteinquellen: Bevorzuge mageres Geflügel, Fisch, Eier, fettarme Milchprodukte, Tofu, Hülsenfrüchte, Nüsse und Samen.

  2. Vergiss die Ballaststoffe nicht: Achte darauf, genügend Gemüse, Obst und Vollkornprodukte zu essen, um eine ausreichende Ballaststoffzufuhr sicherzustellen.

  3. Verteile deine Proteinaufnahme: Statt einer großen Proteinmahlzeit ist es besser, die Proteinaufnahme über den Tag zu verteilen.

  4. Kombiniere mit Bewegung: Besonders Krafttraining hilft, Muskelmasse während des Gewichtsverlusts zu erhalten.

  5. Trinke ausreichend: Eine erhöhte Proteinzufuhr erfordert mehr Flüssigkeit.

Ein Beispiel-Tagesplan für eine ausgewogene proteinreiche Ernährung

Frühstück: Rührei mit Spinat und Feta, dazu Beeren

Snack: Fettarmer griechischer Joghurt mit Chiasamen und Beeren

Mittagessen: Gegrillter Hähnchensalat mit Quinoa und Olivenöldressing

Snack: Apfelscheiben mit Erdnussbutter

Abendessen: Gebackener Lachs mit Spargel und Wildreis

Fazit: Ist High-Protein gut zum Abnehmen?

Die Antwort lautet: Ja, aber mit Einschränkungen. Eine moderat erhöhte Proteinzufuhr kann beim Abnehmen helfen, indem sie das Sättigungsgefühl verbessert, den Stoffwechsel ankurbelt und Muskelmasse erhält. Allerdings ist Protein nur ein Teil des größeren Bildes.

Wie Ernährungsberater Ben Tzeel betont: "Protein ist Teil des größeren Bildes, wenn es um Gewichtsverlust und Gesundheit geht. Es ist ein sehr wichtiger Teil, aber nicht alles." Ein Kaloriendefizit, regelmäßige Bewegung, ausreichend Ballaststoffe und angemessene Hydratation sind ebenso wichtige Faktoren für einen erfolgreichen Gewichtsverlust.

Statt blindlings dem "Je mehr, desto besser"-Ansatz zu folgen, solltest du eine ausgewogene Ernährung anstreben, die zu deinem Lebensstil und deinen individuellen Bedürfnissen passt. Und wie bei jeder größeren Ernährungsumstellung ist es ratsam, vorher mit einem Gesundheitsexperten zu sprechen – besonders wenn du bereits gesundheitliche Probleme hast.

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